Ausfälle beim Crowdinvesting können durchaus steuerlich berücksichtigt werden!
Rechtsprechung von FG und BFH zugunsten der Anleger beim Crowdinvesting
Kreditausfälle gibt es nicht nur bei den klassischen
Kreditgebern wie Banken, sondern auch bei Anlegern beim Crowdfunding. Folge:
Der Emittent, also der Kreditnehmer, ist nicht mehr in der Lage, das ihm
mittels Crowdlending oder Crowdinvesting als Darlehen zur Verfügung gestellte
Kapital an seine Investoren und Kleinanleger zurückzuzahlen. Meist werden solche
Fälle leider von der Insolvenz eines Emittenten begleitet. Dabei ist es
unerheblich, ob es sich um Nachrangdarlehen, partiarische Nachrangdarlehen oder
normale Darlehen handelt, die ein Investor einem Emittenten unmittelbar oder
mittelbar zur Verfügung stellt.
In diesem Zusammenhang stellt sich für viele Investoren immer wieder die Frage, ob sie Ausfälle beim Crowdfunding steuerlich geltend machen können, um zumindest teilweise über eine sich ergebende steuerliche Wirkung ihren finanziellen Ausfall mindern zu können.
War es bisher nur institutionellen Investoren vorbehalten, Verluste durch Ausfälle steuerlich geltend zu machen, so kann dies seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.10.2017 (Aktenzeichen: VIII R 13/15) auch der private Investor.
Durch das Urteil können nun alle Investoren Ausfälle beim Crowdfunding berücksichtigen, also auch die privaten Investoren.
Zunächst zur einkommensteuerlichen Zuordnung des Verlusts. Beim Crowdfunding handelt es sich bei den privaten Investoren um eine private Darlehensforderung. Es stellt sich also die Frage, ob es sich bei einem Ausfall solcher privater Darlehensforderungen um negative Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG oder § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG).
Diese steuerliche Folge eines Ausfalls hat nunmehr die Rechtsprechung des BFH bejaht.
Bis Ende 2017 hat die Finanzverwaltung aufgrund der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung bestimmt, dass der Ausfall einer privaten Darlehensforderung infolge einer Insolvenz des Darlehensnehmers nicht als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich berücksichtigt werden darf. Die steuerliche Anerkennung des Verlusts wurde durch die Finanzverwaltung mit der Begründung abgelehnt, ein Forderungsausfall sei keine Veräußerung einer Kapitalforderung und somit gesetzlich nicht nach § 20 EStG zu berücksichtigen, wohingegen eine Veräußerung einer privaten Kapitalforderung sehr wohl steuerlich anzuerkennen war.
Der Ausfall einer privaten Darlehensforderung war bis dahin im Ergebnis für private Investoren steuerlich nicht relevant.
Der endgültige Ausfall einer sich nicht im Betriebsvermögen befindlichen Kapitalforderung führt nach Einführung der Abgeltungsteuer unter Berücksichtigung des Paradigmenwechsels in der aktuellen Rechtsprechung nunmehr sehr wohl zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust auf der privaten Vermögenssphäre des Investors und Inhabers einer Kapitalforderung, sofern diese Forderung veräußert oder ausfallen sollte.
Die bisherige steuerliche Betrachtung der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen wurde damit aufgegeben. Insoweit ist nunmehr eine Rückzahlung der Kapitalforderung, die unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens bleibt, dem Gewinn bzw. Verlust bei der reinen Veräußerung der privaten Forderung gleichzustellen, wobei unter einer Rückzahlung unter dem Nennwert auch zu verstehen ist, dass es wegen eines Totalausfalls zu einer Rückzahlung in Höhe von Null Euro kommen kann.
Der BFH hatte jedoch in seinem Urteil vom Dezember 2017 offengelassen, ob auch ein Vergleich bzw. Forderungsverzicht zwischen einem privaten Investor und dem Emittenten steuerlich auch entsprechend anzuerkennen sei.
Denkbar ist es nämlich, dass bei wirtschaftlichen Schieflagen eines Emittenten nicht zu einem Totalausfall, sondern zu einem Vergleich und somit teilweisen Forderungsverzicht seitens des privaten Investors kommen kann. Die steuerliche Anerkennung eines solchen teilweisen Ausfalls beim Crowdfunding wäre somit vom BFH Urteil aus dem Jahr 2017 nicht abgedeckt gewesen. In solchen Fällen wären die privaten Investoren also steuerlich leer ausgegangen. Ein Vergleich und Forderungsverzicht wäre nämlich weder einer Veräußerung noch einem Ausfall einer privaten Kapitalforderung gleichzusetzen gewesen.
Glücklicherweise gibt es aber aktuell ein Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. 03.2018 (Aktenzeichen: 2 K 3127/15 E).
In diesem Urteil bestätigt das Gericht, dass auch der Forderungsverzicht zu einem endgültigen Ausfall der Kapitalforderung führe mit einer damit einhergehenden Einbuße der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Die steuerliche Berücksichtigung solcher Umstände sei daher geboten. Folglich liegen in solchen Fällen auch negative Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG bei Nachrangdarlehen und Crowdlending Darlehen oder von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bei partiarischen Nachrangdarlehen.
Inwieweit die Finanzverwaltung die neue Rechtsprechung auch konsequent und länderübergreifend anwendet, bleibt abzuwarten. Leider wurde gegen das Finanzgerichtsurteil des FG Münster unter dem Aktenzeichen IX R 9/18 beim Bundesfinanzhof Revision eingelegt.
Nun entscheidet also das höchste Steuergericht in Deutschland über den weiteren Fortgang in Punkto Forderungsverzicht bei privaten Kapitalforderungen.
Ungeachtet dessen stellt sich nun die Frage, wie sich private Investoren bei Ausfällen und bei Forderungsverzichten verhalten sollten.
Zunächst ist anzuraten, grundsätzlich in allen offene Steuerjahren einen dort entstandenen Ausfall oder Forderungsverzicht gegenüber dem Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung des betreffenden Jahres ausdrücklich geltend zu machen. Man sollte sich in diesen Fällen auf die beiden Urteile des BFH und des FG Münster beziehen. Sollten Investoren es bisher versäumt haben, solche steuerlichen Verluste geltend zu machen, wäre unter Umständen innerhalb der laufenden Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen. Ob es in anderen Fällen möglich ist, die steuerlichen Verluste „nachzuerklären“, ist verfahrensrechtlich schwierig einzuschätzen und hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Hier empfiehlt es sich, einen Steuerexperten beratend hinzuzuziehen.
Was im Rahmen der steuerlichen Geltendmachung von Ausfällen noch wichtig ist, ist der Nachweis des jeweiligen Ausfalls gegenüber dem Finanzamt des Investors. Man hört in diesem Zusammenhang immer mal den Begriff einer „Verlustbescheinigung“. So etwas gibt es hier nicht und am Ende des Tages bestimmt sich der Zeitpunkt und die Höhe des Ausfalls gerade bei Insolvenzen von Emittenten immer dadurch, dass final feststeht, dass es zu keiner vollständigen Rückzahlung für den Inhaber einer Kapitalforderung kommt. Dies trifft immer dann zu, wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass es mangels Masse nicht zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten gekommen ist oder aber das Insolvenzverfahren zu einem Zeitpunkt in der Zukunft beendet wurde und die Quote aus der Schlussverteilung des Vermögens für den jeweiligen Gläubiger festgestellt ist. Natürlich muss ein Investor seine Forderung innerhalb der gesetzlichen Fristen auch gegenüber dem Insolvenzverwalter vorher anmelden.
Man hört auch mitunter, dass vereinzelt Finanzämter einen von einem Crowdfunding Investor erklärten steuerlichen Verlust „durchwinken“, obwohl es keine ausreichenden Nachweise hierfür gibt. Das ist in solchen Fällen natürlich „Glück“ für den Investor, jedoch rechtlich absolut fragwürdig, nicht zu verallgemeinern und eine Einzelfallentscheidung, die der jeweilige Finanzbeamte zu verantworten hat.
Unabhängig davon kann es natürlich sein, dass es zu persönlichen Ansprüchen gegenüber den Geschäftsführern aus einer etwaigen Haftung kommen kann. Diese wiederum müsste man als Investor in Klagewege zivilrechtlich geltend machen. Im Ergebnis alles recht kompliziert und zeitlich nach vorne hin offen. Auf Vorrat kann man somit seine Verluste nicht steuerlich geltend machen, sondern muss schon den richtigen Zeitpunkt bestimmen, zu dem man den Ausfall steuerlich geltend macht.
Fazit:
Die neuere Rechtsprechung zu Forderungsausfällen und deren steuerlicher Anerkennung zu Gunsten der privaten Investoren und Kleinanleger von Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) ist absolut zu begrüßen. Ob es im Einzelfall für den Investor verfahrensrechtlich noch möglich ist, Ausfälle geltend zu machen, ist schwierig zu beurteilen. Ebenso schwierig ist die Nachweisführung für solche Ausfälle. Als Gestaltungstipp könnte man versuchen, seine private Kapitalforderung im Fall einer Insolvenz eines Emittenten an einen Dritten oder sogar an den Insolvenzverwalter zu einem symbolischen Wert zu veräußern, ggf. für einen Euro. Dadurch könnte man den Zeitpunkt der steuerlichen Geltendmachung aktiv selbst bestimmen und müsste nicht Worst Case Jahre darauf warten, seine steuerlichen Verluste vom Finanzamt irgendwann in der Zukunft anerkannt zu bekommen.
Last but not least bleibt abzuwarten, wie das oben angesprochene Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof zum Thema Forderungsverzicht und Vergleich ausgeht.
Im deutschen Steuerrecht ist eben nichts einfach.
Da die Berücksichtigung von steuerlichen Verlusten aus Kapitalvermögen in der persönlichen Einkommensteuererklärung recht kompliziert und seit der Einführung der Abgeltungssteuer nicht ohne weiteres und unbeschränkt möglich ist, werden wir als Spezial-Steuerkanzlei zeitnah in einem Folgebeitrag erläutern, wann und wie Sie ihre Ausfälle in der Einkommensteuererklärung konkret geltend machen können.
(DRS 8/18)
Blog KANZLEI DR. SCHENK

